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Thema des zweiten Bandes von IBAES ist die Geschlechterforschung. Damit wird, wie im ersten Band mit der ägyptischen Mumie, ein auch für den breiteren Kreis interessantes Forschungsfeld aufgenommen. Sowohl allgemeine fachübergreifende wie auch sehr fachspezifische Beiträge konnten hier zusammengestellt werden.[2] Dabei wurde versucht, weg von der reinen "Frauenforschung" hin zur "Geschlechterforschung" zu kommen - also zur Einbeziehung des anderen Geschlechtes bzw. der anderen Geschlechter.
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Geschlechterforschung hat allerdings ihre Wurzeln in der Frauenforschung. Den männlichen Forschern des 19. Jh. war das "Geheimnis Frau" eine Vielzahl von Untersuchungen wert, die inzwischen selbst wieder zum Untersuchungsgegenstand einer nun v.a. von Frauen durchgeführten Forschung geworden sind. Oliver König meint dazu in seinem Artikel Geschlechterdiskurs und Kulturkritik:[3] "'Der Mann' kommt in diesen Forschungen, alten wie neuen, fast ausschließlich als Herrschaftsmetapher und Ideologieträger vor, der im 19. Jh. eher aufdringlich überhöht oder milde getadelt wurde, heute jedoch zumeist verdammt wird und von dessen gesellschaftlichen und diskursiven Zwängen 'die Frau' zu befreien ist.
Feminismus, Frauenbewegung und Frauenforschung sind gemeinsam aus ihrer Opposition gegen männliche Vorherrschaft, gesellschaftliche Benachteiligung und Minderbewertung der Frauen entstanden. Ohne diesen engen Zusammenhang von politischer Bewegung und wissenschaftlicher Forschung hätte die Geschlechterfrage nicht in dem Maße in alle gesellschaftlichen Bereiche Einzug halten können, wie das heute der Fall ist."
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Gerade in den letzten Jahren hat sich die Frauenforschung aber zu einer Geschlechterforschung - Gender Studies - erweitert, wenn auch häufig die feministischen Wurzeln unübersehbar sind. Zum Thema 'Frau' ist nun auch das Thema 'Mann' gekommen. Der Mann - oder besser Männlichkeit - steht einerseits als Gegensatz zu Weiblichkeit, aber auch als Ergänzung. Es kommt zur Pluralisierung der Geschlechterrollen, oder meiner Meinung nach besser zum dynamischen Gleichgewicht.
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Der Feminismus und auch die Gender Studies haben naturgemäß eine starke Bindung zu den Altertumswissenschaften, stellt doch die Theorie eines Matriarchats, das vor der patriarchalen Gesellschaft in ferner Vergangenheit geherrscht haben soll, eine zentrale Frage dar. Viele Untersuchungen sind aus dem Blickwinkel der feministischen Archäologie entstanden. Die Frage bleibt aber, ob dieser Blickwinkel aus der jeweiligen Wissenschaft heraus entstanden ist, also als plötzlich im Raum stehende Frage der Archäologie oder als sich aus dem derzeitigen Forschungsstand z.B. der Ägyptologie ergebender Schwerpunkt. Oder haben wir es mit einem gesamtgesellschaftlichen Problem zu tun, das in die jeweilige Wissenschaft getragen wird? Ich möchte in diesem Zusammenhang ein Zitat wiedergeben, das auf die Matriarchatstheorie von Marija Gimbutas gemünzt ist. Gimbutas war eine der wichtigsten Verfechterinnen der Matriarchatsideen in einer vorgeschichtlichen Gesellschaft. Das Zitat ist von Brigitta Kunz aus ihrem Aufsatz "Marija Gimbutas revisited. Eine archäologische Auseinandersetzung mit Gimbutas' Matriarchatstheorie":[4] "Geschichtsschreibung bleibt ein andauernder Prozeß. Die Geschichte aus einem feministischen Blickwinkel zu betrachten, ist ohne Zweifel längst überfällig. Dem historischen Gebäude einen fiktiven Mantel aus zeitgenössischem Wunschdenken mit wissenschaftlichem Segen überzuwerfen, ist jedoch sicher nicht der richtige Weg. Er mag vielleicht dazu beitragen, das heutige Geschlechterverhältnis zu erhellen, nicht aber seine vermuteten Wurzeln in der Urgeschichte. Die matriarchale Utopie erwächst aus modernen Defiziten, die zwischen den Geschlechtern entstanden sind - nicht aber aus einem geschichtlichen Urzustand."
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Es sollte in unserem Kolloquium aber nicht um feministische Altertumsforschung gehen, sondern um Gender Studies. Im Vergleich zur feministischen Archäologie wird die Geschlechterforschung in den altertumswissenschaftlichen Fächern viel weniger rezipiert.
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Seit drei Jahren gibt es an der Humboldt-Universität zu Berlin den Studiengang Geschlechterstudien/Gender Studies. Die Studenten können aus einem reichhaltigen Angebot quer durch alle Fachrichtungen ihre Lehrveranstaltungen zusammenstellen. In diesem Semester (SoSe 99), so mußte ich feststellen, wird außer dem Seminar von Frau Waldner über Gender Studies in den Altertumswissenschaften und meinem Kolloquium keine weitere Lehrveranstaltung über das Thema Gender in den Altertumswissenschaften an beiden Universitäten angeboten.
Ähnlich sieht es bei den Projekten des Förderprogrammes Frauenforschung des Senats von Berlin aus. In dem Bericht, der die unterschiedlichen Arten der Förderung - also Forschungsprojekte, Stipendien, Infrastrukturmaßnahmen und Publikationen - beinhaltet, ist von den 181 aufgezählten Maßnahmen eine einzige Förderung, und zwar ein 3-monatiges Kurzzeitstipendium, an eine Altertumswissenschaftlerin ergangen.
Vor diesem Hintergrund ist es besonders begrüßenswert, daß 1998 ein Graduiertenkolleg an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg ins Leben gerufen wurde mit dem Titel "Wahrnehmung der Geschlechterdifferenz in religiösen Symbolsystemen". Dort sind außer den Katholischen Theologen und den Sozialwissenschaftlern auch die Klassische Archäologie, die Gräzistik, die Altorientalistik und die Ägyptologie vertreten.
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Es war mir ein Anliegen, bei diesem Kolloquium auch dem Auditorium zu veranschaulichen, wie breit gefächert die Fragestellungen zum Gender-Problem in den Altertumswissenschaften sind. Die beiden Tage sollten für die Referenten, aber auch für die Zuhörer als Möglichkeit des Austausches dienen. Nichtsdestotrotz bin ich mir bewußt, daß es gegen die Geschlechterforschung Vorbehalte gibt, eben weil sie wohl auch aus dem Zeitgeist und nicht aus den Wissenschaftszweigen heraus entstanden ist. Vielleicht aber ist die Geschlechterforschung in den Altertumswissenschaften doch etwas mehr als ein Schwimmen im Zeitgeiststrom?
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Über das Entstehen und die technischen Daten von IBAES (Internet-Beiträge zur Ägyptologie und Sudanarchäologie) wurde im Vorwort von IBAES I berichtet.[5] Insbesondere die - zu unrecht! - oft kritisierte mangelnde Zitierfähigkeit wird dabei erklärt. Sie wird hier in abgekürzter Form wiedergegeben: Wie ein gedruckter Artikel kann der in IBAES erschienene Beitrag mit Autor, Titel, Reihe (IBAES) und Seite zitiert werden. Die Artikel werden im Format PDF gespeichert, das eine auch im gedruckten Exemplar vorliegende Seitenzählung erlaubt. Danach sollte z.B. der Hinweis stehen:
Dieser Hinweis zeigt an, daß es sich um eine Internet-Publikation handelt und wo diese auffindbar ist. Auch wenn bei IBAES nachträgliche Änderungen im Text nicht möglich sind, sollte doch das Datum erscheinen, da bei anderen Net-Publikationen nachträgliche Änderungen zugelassen sind.
Die Abbildungen wurden mit einer geringen Auflösung gescannt, so daß die Qualität am Bildschirm zwar gut ist, sie jedoch nicht für einen Ausdruck geeignet ist. Da das Copyright von Bildern im Internet noch nicht geklärt ist, scheint uns dieses Vorgehen sinnvoll, um trotz der unsicheren Rechtssituation Abbildungen zeigen zu können.
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Für die ägyptische Umschrift wird folgende Codierung verwendet:
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