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IBAES VIII
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[ deutsch ] ---[ english ]
Die Baustufen I bis IV der Großen Anlage von Musawwarat es Sufra
 
Musawwarat es Sufra, im Kernland des heutigen Sudans, ca. 180 km nördlich Khartums gelegen, ist eines der bedeutendsten Kultzentren des antiken Reiches von Meroe (ca. 600 v.Chr. bis 300 n.Chr.). Die dort erhalten gebliebenen archäologischen Zeugnisse wurden in den Jahren 1960 bis 1972 von Archäologen der DDR unter Leitung von Prof. Fritz Hintze ausgegraben. Die größte Ruinenstätte an diesem Ort wurde von den Ausgräbern als „Große Anlage“ bezeichnet. Das ca. 500 x 200 m große Architekturensemble besteht aus Gängen, Rampen, Höfen, Zwischen- und Umfassungsmauern mit mehreren Monumentaltoren, Tempeln mit und ohne Säulenumgang sowie Kapellen und Profanbauten, die zum Teil erhöht auf Terrassen liegen. Im Verlauf der Grabungen stellte sich immer deutlicher heraus, daß die Bauten nicht in einem Zug sondern in verschiedenen Baustufen errichtet worden sind. In jeder der insgesamt 8 Baustufen wurden Teile der Anlage abgerissen und mit leicht versetzter Orientierung (2° bis 4° Abweichung) in mehr oder minder identischer Form wieder neu errichtet. Welche Mauern und damit welche Bauten zu welcher Baustufe gehören, konnte nur durch eine intensive Grabungstätigkeit an den Stellen, an denen Mauern zusammentrafen, ermittelt werden. Nahezu 700 Schnitte wurden zu diesem Zweck angelegt. Hierbei traten auch Mauerzüge zutage, die oberflächlich nicht mehr sichtbar waren, aber mit den stehenden Mauern weitere Räume bzw. Höfe bildeten, die das Bauensemble dieses einzigartigen Denkmals aus meroitischer Zeit vervollständigen. Nach Beendigung der Grabungen 1972 wurden die wichtigsten Ergebnisse in Vorberichten veröffentlicht. Darin haben die Ausgräber zwar die grobe bauliche Entwicklung der Großen Anlage skizziert, eine detaillierte Präsentation der Grabungsergebnisse und eine umfassende Auswertung der einzelnen Baustufen ist aber bis heute unterblieben.
Die detaillierte Dokumentation und Auswertung der Baustufen I bis IV bildet den Gegenstand der Publikation, wobei auch die seit 1995 laufenden Nachgrabungen an der Großen Anlage Berücksichtigung fanden. Von den Mauern bzw. Mauerresten einer Baustufe werden alle an ihnen angelegten Ausgrabungsschnitte beschrieben und – falls erforderlich – bildlich oder als Zeichnung dokumentiert und ausgewertet. Aus den so gewonnenen mosaikartigen Einzelergebnissen werden in umfangreichen Zusammenfassungen ein Bild jeder einzelnen Baustufe skizziert und unter Einbeziehung der bei den Ausgrabungen zutage getretenen Funde sowie der antiken Ritzzeichnungen und Besucherinschriften an den Wänden noch stehender oder ergrabener Mauern die Räumlichkeiten einer jeden Baustufe funktionell bestimmt. Aus dieser Gesamtschau ergeben sich zum Teil erhebliche Abweichungen zu den Vorberichten, da sowohl einzelne Mauerzüge als auch ganze Bauteile anderen Baustufen zugeordnet werden müssen. Die Entwicklung der Großen Anlage ist auf Grund dieser Untersuchung erheblich zu revidieren.
Verschiedene ausgegrabene Überreste lassen darauf schließen, daß das Areal der Großen Anlage schon vor der Baustufe I bebaut worden war. Die Geschichte der Großen Anlage beginnt also früher als von den Ausgräbern angenommen. Die wesentliche funktionale Gliederung der Großen Anlage wurde schon in der frühesten Baustufe angelegt und bis zur Aufgabe dieses Architekturensembles am Ende des Meroitischen Reiches auch beibehalten. Schon damals führte ein Gang zu einem Zentralheiligtum, das zwar in den nachfolgenden Baustufen z.T. bis auf die Fundamente erneuert wurde, aber immer an derselben Stelle verblieb. In Baustufe II wurde die Große Anlage nach Norden um mehrere Höfe erweitert, die einer großen Menschenmenge Platz bot. Eine planmäßige Neugestaltung der gesamten Anlage (Zentraltempelbereich und Hofanlagen) erfolgte in Baustufe III. Alle Gebäude und Hofmauern sind einheitlich orientiert, wobei sie um etwa 4° von den Bauten der früheren Baustufen abweichen. In dieser Baustufe wurde das gesamte Areal mit einer weitläufigen Umfassungsmauer umgeben, in die ein monumentales reliefbekröntes Tor eingefügt wurde. Bei dieser Neugestaltung wurden alle störenden Bauteile früherer Baustufen abgerissen. Eine weitere Neugestaltung des Zentralbereichs mit wiederum 4° Abweichung erfolgte in Baustufe IV. Die wichtigste Neuerung in dieser Baustufe bestand in der Anlage einer zweiten Kultstätte im Westen des Zentraltempels. Beide Tempel waren durch einen langen Gang direkt miteinander verbunden.
Der in den Baustufen I bis IV entwickelte Plan der Gesamtanlage ist auch in den nachfolgenden Baustufen streng beachtet worden, da sich ihr Charakter als Kult-, Pilger- und Kommunikationszentrum an der Nahtstelle zwischen Ägypten und Schwarzafrika nicht geändert hat.

[ deutsch ] ---[ english ]
The subject of the work, presented here, is the examination of the building history of the Great Enclosure at Musawwarat es Sufra, especially the phases I to IV. Musawwarat es Sufra was excavated by Fritz Hintze and his team between 1960 and 1972. The Great Enclosure covering an area of 240 by 210 meters is the most important building ensemble at this site and consists of main and subsidiary temples, ramps and courtyards. For a clearer understanding of the building history some 428 trenches were dug.
The most important result of this investigation was the insight, that this architectural complex was build in 8 main phases (Baustufen I-VIII) which can be divided sometimes into shorter periods (Bauetappen). The excavation itself and the main results have been published only in a series of temporary reports.
For building periods I to IV the final excavation report is presented in the following work. For each of the building periods all trenches and all standing architectural elements are described and analyzed. In full summaries the feature of the Great Enclosure are reconstructed for every building period, the findings, belonging to the periods, as well as the secondary sketches, scratched on the walls, are discussed and datings given. Since 1995 new excavations have been taking place at Musawwarat es Sufra. Where relevant to building phases I to IV, those excavation results published to date have been included in the publication.
Contrary to the opinions of the excavators, the history of the Great Enclosure would begin before building period I. Some early architectural remains, which cannot be attributed to any of the identified building periods, seem to be belong to an older period. The remains, however, are not sufficient, to reconstruct the whole ensemble.
In building period I the ensemble of the Great Enclosure consists at least of a formal approach to a central building. With these buildings the central part of the Great Enclosure was fixed. The buildings and walls have been destroyed and rebuild in later periods, but the position and the arrangement of the architectural elements have never been changed.
In building period II the architectural ensemble was enlarged especially to the north. The central part was not touched.
In building period III the whole ensemble was entirely rebuilt. A new central temple together with approaches, large courtyards, gardens and an enclosure wall with a decorated entrance gate at the east side were erected. The architectural remains show a deviation of about 4° compared with the orientation of the remains of building period I.
The central temple was destroyed and re-erected once more in building period IV together with the so called “West Chapel”. Interestingly the architectural remains of this building period show the same deviation of about 4° compared with the orientation of the remains of building period III, as had building period III compared with building period I.
The columned hall 501 and the east temple MUS 300 also belong to one of the earlier building periods of the Great Enclosure. Despite the detailed analysis given here, their assignment to one of these earlier periods remains unclear.