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IBAES XV
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Summary

Die Frage nach und das Versprechen von Authentizität ist die Gretchenfrage jeder Museumsarbeit. Es ist aber auch die Gretchenfrage jeder Form von Wissen und seiner Kommunikation: „Ist das wahr?“ ist ebenso wie „Ist das echt/alt/original...?“ eine Frage, die den Nachweis von Authentizität einfordert. Der Band versammelt Beiträge einer Tagung, in denen aus der Perspektive der Archäologie dem Spannungsverhältnis von Konstruktion und Erfahrung von Authentizität nachgegangen wir.

In museums demand for and promise of authenticity is the crucial question. Moreover, it is the crucial question of every kind of knowledge and communication. „Is this true?“ means the same as „Is this genuine/old/original...?“: it demands the testemony of authenticity. The volume collects papers from a workshop exploring from an archaeological perspective the tension between construction and experiance of authenticity.

Friederike Werner

„Abgekupfert, durchgepaust und second hand“. Ein Essay zur Authentizität in der Kunst

Authentizität in der Kunst meint vor allem Echtheit und Originalität eines Werkes. Erhält ein Artefakt dieses Gütesiegel, so ist sein Wert garantiert. Diese Eigenschaften als solche sind jeweils ein weites Feld, man kommt nur weiter, indem man die Frage nach der Authentizität bei jedem Kunstwerk neu formuliert und präzisiert, also in Bezug worauf oder aus welchem Blickwinkel? So erschließen sich immer mehrere Ebenen, und nicht selten kommt man darauf, dass das Urteil „authentisch“ oder „nicht authentisch“ gar nicht so einfach zu vergeben ist und bisweilen sogar ganz überflüssig wird. – Anhand der Betrachtung einiger Artefakte von der Antike bis heute ergab sich allerhand Fragwürdiges zur Authentizität.

Authenticity in art refers to the genuineness and originality of an artefact. The validity of a work of art fully depends on authenticity as the principal seal of quality. We can only call into question and specify the authenticity of each work on its own terms: authenticity from what or whose point of view? This question may find relevance on various levels, and the verdict “authentic” is often not easy to award. Sometimes authenticity is even a superfluous construct. This article contemplates several artefacts from both ancient and modern times, leaving the question of “authenticity” to stand on shaky ground.

Achim Saupe
Empirische, materiale, personale und kollektive Authentizitätskonstruktionen und die Historizität des Authentischen

Der Umgang mit Vergangenheit stellt für alle Gesellschaften der Moderne eine zentrale Instanz ihrer kulturellen Selbstvergewisserung dar. Zugleich unterliegen der Wert der Vergangenheit und die Form ihrer Aneignung in der Gegenwart einem beständigen Wandel. Heute zielt die Vergangenheitsvergewisserung in einer bislang kaum gekannten Intensität auf historische Authentizität. Der ubiquitär gebrauchte Authentizitätsbegriff ist dabei sehr schillernd. Aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive wird in dem Beitrag versucht, einige Schneisen in die Diskussion über historische Authentizität zu ziehen. Vor dem Hintergrund von Arbeiten aus verschiedenen Disziplinen, die sich in den letzten Jahren mit dem Authentizitätsbegriff befasst haben, wird meine These sein, dass die in der Literatur oft gemachte, recht pragmatisch daherkommende Unterscheidung zwischen „Subjekt-“ und „Objektauthentizität“ bzw. zwischen materialen und personalen bzw. kollektiven Authentizitätsvorstellungen zwar heuristisch sinnvoll ist, aber in historischer Perspektive vielmehr ihre Konvergenzen zu untersuchen sind.

Interaction with the past is to all modern societies a major instance of cultural self-assurance. At the same time valuation of the past and modes of its appropriation are constantly changing. Today assurance of the past is directed with unpreceded intensity on historic authenticity. Nevertheless the ubiquitary use of the term authenticity remains dazzling. Using a historiographical perspective the article tries to cut a swath through the discussion on historic authenticity. Backed by various attempts from different disciplines dealing with authenticity over the last decade my assumption is, that the often used and pragmatically appearing differentiation between “Subjekt-” and “Objektauthentizität” or between material and personal viz. collective perceptions of authenticity may be of heuristic value, but that nevertheless it remains necessary to analyse their convergences in a historic perspective.

Ludwig D. Morenz

Veronica und Tutanchamun – Die Suche nach dem wahren Bild und der thanatologische Traum vom Authentischen

Das komplexe Verhältnis von Gesicht, Maske und Abbild sowie die Fragen nach dem wahren Gesicht und dem Problem des Bildes sind zentrale bildanthropologische Anliegen. An Beispielen aus der pharaonischen Kultur wie auch der europäischen Kunst des Mittelalters wird der Umgang mit dem Gesichts-Bild thematisiert, das auf besondere Weise den Verweis auf das wahre Bild (vera icona) wie auf den ikonischen, d.h. abbildenden Charakter der Darstellung enthält. Auch in der altägyptischen Terminologie, die verschiedene Begriffe für „Ab-Bild“ bereithält, wird bis zum Begriff des „lebenden Abbildes“ – wie er im Namen Tutanchamuns geführt wird – der Diskurs über das Authentische geführt.

The complex interplay between face, mask and image as well as the question of the real face and the problem of the depiction are central to the anthropology of the image. Using examples from pharaonic culture as well as European art of the Middle Ages the treatment of the image of the human face is studied, containing in a special way the reference to the real image (vera icona) as well to the iconic, i.e. reproducing character of the representation. Also ancient Egyptian terminology, possessing various designations for image, discusses authenticity up to the question of the “living image” – like in the name of Tutankhamun.

Karl Heinrich von Stülpnagel

Der Authentizitätsbegriff aus Sicht eines Restaurators

Objekte, insbesondere solche aus dem archäologischen Bereich, sind einer ständigen und sehr starken Umnutzung ausgesetzt, wobei von allen Veränderungen die der Musealisierung am stärksten ist. Im Laufe der Zeit verändert sich die Materialität des Objekts ebenso wie seine Werte. Die Kultur aus der es stammt verändert sich ebenso wie die Zeit. Nichts ist so, wie es einmal war. Und dennoch wird von „Authentizität“ gesprochen, obwohl es nun in einer anderen – mehrtausendjährig späteren – Zeit bewahrt wird, die angestammte Kultur uns kaum bekannt ist, wir die ursprüngliche Nutzung nur erahnen können und das Aussehen seinerzeit auch nicht ganz geklärt ist. Der Authentizitätsbegriff für „echt, glaubwürdig“ wird bei den verschiedenen Veränderungen eines Objekts im Laufe seiner Existenz auf seine Stichhaltigkeit hin angewendet und überprüft.

Objects, in particular those from an archaeological context, are exposed to various conversions, of which its integration into a museum is the most momentous. In time, materiality of an objects changes as well as its values. Its culture of origin changes as time passes by, nothing remains the same. In spite of its conservation in a different, often some thousands of years later time, the ignorance of its cultural background, its original use and even appearance, there is the designation of „authenticity“. The use of the term „authenticity“ to designate „genuine, reliable“ will be evaluated against the conversions of an object during his life circle.
Rita Lucarelli / Marcus Müller-Roth

Forgeries for the Dead: fake specimens of the ancient Egyptian Book of the Dead

Dieser Beitrag widmet sich den Fälschungen mit Texten und Vignetten des altägyptischen Totenbuchs. Obwohl das Corpus inzwischen etwa 3000 Manuskripte umfasst, sind bisher lediglich gut zwei Dutzend Fälschungen bekannt. Rita Lucarelli und Marcus Müller-Roth stellen bereits bekannte Fälschungen und einige bisher nicht beachtete Beispiele zusammen, um die Bandbreite des Materials und ihre Beziehungen zu den Originaldokumenten zu veranschaulichen. Dabei werden auch die Möglichkeiten und Grenzen der Identifikation von Fälschungen erörtert. Außerdem wird dem Ursprung der Nachbildungen nachgegangen, sofern die Objekte und die Umstände, wie sie in Umlauf kamen, Indizien dafür liefern.

This article is devoted to the forgeries made with texts and vignette of the ancient Egyptian Book of the Dead. Although the Book of the Dead Corpus includes about 3000 manuscripts, until know only about 22 forgeries are known. In this paper, Rita Lucarelli and Marcus Müller-Roth assemble a few already know examples of Book of the Dead fakes and a few other not yet known examples, in order to illustrate the variety of cases on the subject and the relationship of the material with the original documents. Moreover, the authors will discuss the possibilities and limits of identifying the forgeries, beside to attempt tracing the origin of the copies when the objects and the circumstances in which they came in circulation on the market give evidence of it.

Susanne Voss

Ludwig Borchardts Berichte über Fälschungen

Im Herbst 1899 trat Ludwig Borchardt die Stelle eines wissenschaftlichen Sachverständigen für die deutsche Ägyptologie in Ägypten an. In seiner Geschäftsanweisung wurde er verpflichtet, Ankäufe von antiken Objekten für deutsche Museen und Sammler zu vermitteln, deren Erwerb seinerzeit noch legal war. Angesichts des hohen Anteils an Fälschungen auf dem ägyptischen Antikenmarkt entwickelte Borchardt daraufhin ein strukturiertes Berichtssystem über Fälschungstechniken und deren Spezialisierungen, um deutsche Interessenten vor Fehlankäufen zu warnen. Im Zuge der Historisierung des Fachs bieten Borchardts Fälschungsberichte eine Ressource für die Zusammensetzung eines ganzheitlichen Bildes von der ägyptologischen Disziplingeschichte im 20. Jahrhundert. Mittels ihrer chronologischen und thematischen Ordnung offenbart sich, dass die Professionalisierung des Fälscherhandwerks in Ägypten eng mit dem Fortschritt der Ägyptologie als Wissenschaft verknüpft war: Indem sich die Hersteller dem rasanten Vorankommen von wissenschaftlichen Erkenntnissen anpassten und sich deren zunehmende Verbreitung zunutze machten, profitierten sie von der Entwicklung des Fachs.

In 1899 Ludwig Borchardt took over the position as non-diplomatic-advisor for German Egyptologists in Cairo. According to the stipulations of his employment he was commissioned to facilitate the acquisition of antiquities for German museums and collectors, which at that time was considered perfectly legal. Considering the high percentage of forgeries in the Egyptian antiquities market, Borchardt wrote up official communiqués on forgeries, their techniques and specialisation, to warn German purchasers against bad buys. In the context of disciplinary history his accounts constitute a most valuable source. Chronologically and thematically structured, they highlight the fact that the professionalisation of forgery was closely interwoven with the development of Egyptology as scholarly discipline: By applying the steadily increasing knowledge of Ancient Egyptian culture, they were able to improve the quality of their own work.

Stephen Quirke

A stratigraphic approach to authentication

Authentifizierung gilt in den historischen Wissenschaften als eine kriminaltechnische Methode, die immer dann zur Anwendung kommt, wenn jüngere Imitationen das Verständnis von archäologischen Hinterlassenschaften verunklären. Dennoch scheint die eigentliche Rolle der Authentifizierung darin zu liegen, bestimmtes, implizites Wissen zu privilegieren. An Stelle von Privilegisierung sind jedoch nachvollziehbare, explizite Verfahrensweisen erforderlich, um mit dieser Praxis aufzuräumen. Daher werden Prinzipien der Dokumentation vorgeschlagen, die explizite Kriterien der Authentifizierung sichern.

Authentication is supposed to contribute a forensic arm to historical sciences, wherever later imitation complicates the task of understanding the products of people in one place and time. However, the primary social role of authentication seems to be rather to enshrine select knowledge as a privilege. In opposition to privilege, explicit mechanisms are needed to de-toxify the practice, and here formal principles of documentation are suggested in order to secure explicit criteria from authenticators.
Wilfred Geominy
Trivialfälschungen

Die Fälschung ist eine Erscheinung, die als unlauteres Mittel des Gelderwerbs mit Recht zu den kriminellen Delikten zählt. Trotz naturwissenschaft licher Methoden ist der Archä ologe zur Beurteilung eines antiken Gegenstandes nach wie vor auf sein Wissen und seine Kenntnis angewiesen. Er bedient sich dabei einer Besonderheit, die ein antikes Werk im Gegensatz etwa zu einem modernen Kunstgegenstand auszeichnet: Das antike Werk ist meist nicht einmalig und es wird auch nicht von der Phantasie eines Künstlers angeregt, sondern eher von den Traditionen, in denen es steht. Dieses Wissen ist in aller Regel bei einer Kategorie von Fälschungen anwendbar, die man unter der Bezeichnung ‚Trivial fälschung‘ führen kann. Dennoch haben Fälschungen auch eine positive Seite, insofern sie für den archäologischen Unterricht genutzt werden können. Der Archäologe muss sich immer wieder die Frage stellen, was ist möglich und was nicht, ist dieses oder jenes Detail belegt. Dieser in hohem Maße didaktische Wert der Fälschung prädestiniert vor allem Universitäts museen, ihre Sammeltätigkeit auch auf Fälschungen zu erstrecken.

Fakes are justly rated as criminal insofar as the are an illegal means of earning money. Despite the progress in scientific analysis the archeologist still has to relay on his personal experience in the evaluation of ancient objects. One of his major auxiliaries is a peculiarity of ancient objects: they are mostly not unparalleled and not individually inspired, but related to traditions. Using this axiom a categories of fakes may be studied called here „Trivialfälschungen“. Nevertheless fakes also have something positive since they can be used in archeological training. Archaeologist constantly have to question weather a feature is possible or not, a detail is evidenced or not. Thus the didactic value of fakes should encourage university museums to collect also forgeries.

Jana Helmbold-Doyé

„Von Lepsius besorgt“ – geschätzt und verdammt. Gipsabgüsse in der Sammlung des Ägyptischen Museums Berlin

Im Zuge des Wandels der Museen im 19. Jahrhundert wurde das Neue Museum bereits mit der Planung als Gesamtkunstwerk konzipiert. Diese kulturgeschichtliche Konzeption schloss sowohl die Aufstellung von Originalobjekten als auch Gipsabgüssen ein. Damit war ein Besuch des Neuen Museums – modern gesprochen – Unterrichtsstunde und Event zugleich. Da die Gipsabgüsse in der Ägyptischen Sammlung nie mehr als Ersatzstücke von Originalen waren, wurden sie seit C. R. Lepsius abgewertet und fehlten, nicht nur aus Platzgründen, in den Ausstellungen nach 1945 nahezu gänzlich. Ein anderer wesentlicher Faktor ist, dass die Gipsabgüsse ursprünglich auch konzeptionell zum Ausfüllen von Lücken in der chronologischen Ordnung gebraucht und eingesetzt worden waren. Insbesondere in den letzten Jahrzehnten haben die Abgüsse diese Funktion verloren, da das Museum die Objekte eher thematisch als chronologisch ordnete, um dem Anspruch einer Kunstsammlung gerecht zu werden. Im Kontext einer kulturgeschichtlichen Sonderausstellung haben Reproduktionen von Reliefs und Statuen nun wieder ins Neue Museum zurückgefunden. Aktuell werden im Ägyptischen Museum Berlin originalgroße Gipsabgüsse nach wie vor hauptsächlich aus vier Gründen eingesetzt:
1) als probates Ausstellungsmittel um fehlende Objekte, vor allem die Kriegsverluste, zu ersetzen,
2) um Originale in ihren fehlenden Partien aus didaktischer und/oder restauratorischer Sicht zu ergänzen,
3) um dem Besucher die Möglichkeit zu geben, die Ausstellungsstücke in originaler Form anfassen zu können, wodurch der Erlebniswert des Museumsbesuchs deutlich gesteigert wird und
4) als kommerzielle Einnahmequelle.

Following a new conception of museums in the 19th century, the New Museum (Neues Museum) was designed as an integrated piece of art. This historic-cultural conception included the use of both original objects and plaster casts. Thus, a visit to the New Museum was a lesson and an event at the same time. As the plaster casts of the Egyptian collection were mostly substitutes to originals they became less important in the curatory concepts after C.R. Lepsius. After 1945, plaster casts were nearly entirely absent in the exhibitions – not only due to lack of space. Originally the casts have been used to fill gaps in the chronological order of the exhibition. Yet to meet the requirements of an art collection, during the last decades the exhibits were sorted according to topic rather than chronology. Hence, the casts lost this function. Recently, some of the copies have found their way back to the New Museum in the context of a new historic-cultural concept of presentation. Currently, the full-seized plaster casts are used for four essential purposes:
1) as appropriate means to replace missing originals – especially losses due to the Second World War,
2) to complete fragmentary originals for both didactic and/or conservatory reasons,
3) to give visitors the opportunity to touch objects which enhances the value of the museum experience and
4) as a commercial source of income.

Stefan Burmeister
Der schöne Schein. Aura und Authentizität im Museum

Aura und Authentizität sind zentrale Begriffe, wenn über die Bedeutung von originalen Objekten in archäologischen Ausstellungen gesprochen wird. Sie gelten als besondere Qualität des Originals. Einen maßgeblichen Einfluss auf diese Sichtweise hat das Aura-Konzept Walter Benjamins. In dem vorliegenden Beitrag wird dazu kritisch Stellung bezogen und eine Gegenposition eingenommen. Entgegen Benjamin kann Aura kein Wesensmerkmal von Ausstellungsobjekten sein. Das auratische Empfinden geht vom Betrachter aus und nicht vom Betrachteten. Die Aura liegt allein in der Subjektivität des Betrachters; die von Benjamin geforderte Originalität ist folglich auch keine zwingende Voraussetzung des auratischen Erlebens. Ähnlich verhält es sich mit der autoritätsheischenden Authentizität des Originals. Authentizität wird durch Zuschreibungsprozesse erzeugt, so dass es sich hierbei streng genommen um Authentizitätsfiktionen handelt.

Aura and authenticity are key concepts when talking about the importance of original objects in archaeological exhibitions. They are considered to be a special quality of the original. The aura concept of Walter Benjamin is of significant influence on this view. In the present contribution this view is criticized and an opposite position taken up. Contrary to Benjamin aura is not a genuine trait of exhibits. The auratic experience emanates from the observer, not from the observed. The aura rests solely in the subjectivity of the observer. Originality as required by Benjamin is therefore not a necessary precondition of auratic experience. The situation is similar with the authority demanding authenticity of the original. Authenticity is generated by attribution processes, so in strict sense we here have to talk of authenticity fiction.

Martin Fitzenreiter

Ornament und Versprechen – Die Aegyptiaca im ehemaligen Stadtmuseum Grevenbroich

Seit 2006 beherbergt das Ägyptische Museum der Universität Bonn im Rahmen einer Dauerleihgabe etwa 200 ägyptische und ägyptisierende Objekte, die aus dem ehemaligen „Museum im Stadtpark“ der Stadt Grevenbroich stammen. Neben antiken Stücken umfasst die Sammlung eine auffällig hohe Zahl von Repliken und Nachahmungen. Anhand von Objektbestand und dessen Inszenierung in der ehemaligen Präsentation soll Fragen nachgegangen werden, die für die (Re-)Konstruktion kultureller Kontexte ganz allgemein von Interesse sind: In welchem Verhältnis stehen Objekte und Botschaft im Rahmen einer musealen Inszenierung? Welchen Charakter haben die in diesem Zusammenhang genutzten Objekte? Welche Rolle spielt das Phänomen „Authentizität“ dabei? Oder kurz gefragt: Sind Objekte nur Ornamente, durch die sich das Versprechen einer Interpretation legitimieren will?

In 2006 a collection of about 200 objects from the former „Museum im Stadtpark“ at Grevenbroich entered the Egyptian Museum of Bonn University as a long term loan. Besides antiquities, the collection contains a remarkable number of replicas and fakes. Taking this collection and its display as an example, a number of questions of general interest are discussed: What is the relation between object and message in an exhibition? What is the nature of the objects used in it? What is the status of „Authenticity“ in this case? Or shortly: Are objects only ornaments to legitimise the promise of an interpretation?

Beat Schweizer
Authentizität archäologischer Stätten. Vergangenheit als Ressource

Eine zeitgemäße Archäologie zielt auf die Rekonstruktion vergangener, fremder Lebenswirklichkeiten auf der Basis archäologischer Befunde, also auf der Basis von Kontexten der Dinge, der Monumente und der Spuren. Merkmal der archäologischen Gegenstandserschließung und -sicherung ist zugleich, dass die so definierte Quellenbasis im Rahmen von Ausgrabungen zerstört wird und medialen Repräsentationen daher Quellenstatus zugeschrieben wird. Das Authentische ist demnach nicht Kerngegenstand der Archäologie. Viele archäologische Stätten sind jedoch nationale oder übernationale Erinnerungsorte. Als Erinnerungsorte, als Medien kollektiver Identität und Ressourcen des kulturellen Gedächtnisses sind sie auf Authentizität angewiesen. Der Beitrag behandelt die historische Authentizität archäologischer Stätten an einigen Beispielen des mediterranen Raums. Denn bei ihnen handelt es sich um landschaftlich eingebundene Ensembles, die so vor den Ausgrabungen nie zu sehen gewesen sind. Baustrukturen befinden sich meist in fragmentarischem Zustand, die Überreste repräsentieren oft nur Substruktionen der Bauten. Manche Monumente werden – auch zur Sicherung des Bestands – wiederaufgebaut. Das Bild archäologischer Stätten ist demnach ebenso durch Auswahl, auch ‚Purifizierung‘, geprägt wie durch Neukontextualisierung von Monumenten und Überresten.

The objective of contemporary archaeology is a reconstruction of past, foreign realities of life, based on contexts of things, monuments and traces. Characteristic of archaeology is, that the source base, as so defined, is destroyed in the course of excavations and source status is ascribed to representations in archaeological media. The authentic is therefore not main subject of archaeology. Many archaeological sites are national or supranational sites of memory. As sites of memory, as media of collective identity and resources of cultural memory they are dependent on authenticity. This paper discusses the historical authenticity of archaeological sites using a few examples of the Mediterranean. For they are ensembles of monuments in there setting, which have never been seen before the start of the excavations. Building structures are usually in a fragmentary state, the remains often represent only substructures of buildings. Some monuments have been reconstructed in order to secure the findings. Therefore, the image of archaeological sites is shaped by selection and ‘purification’, as well as by re-contextualization of monuments and remains.

Stefanie Samida

Inszenierte Authentizität: Zum Umgang mit Vergangenheit im Kontext der Living History

Die erlebnisorientierte Vermittlung historischer Themen hat in den letzten dreißig Jahren stetig zugenommen. Darunter fallen auch jene geschichtskulturellen Ausprägungen, die unter dem Label ‚Living History‘ firmieren und im Deutschen in der Regel mit ‚lebendige/wiederbelebte/belebte Geschichte‘ oder als ‚Zeitreise‘ umschrieben werden.
Mit dem Ablegen der zeitgenössischen Kleidung und dem Anlegen eines Kostüms versuchen die ‚Zeitreisenden‘, nicht nur rein optisch einen Rollenwechsel vorzunehmen sondern auch Vergangenheit am eigenen Leib zu erfahren. Denn gerade die Kleidung und die Ausrüstungsgegenstände – die materielle Kultur – markieren nicht nur für den Darsteller selbst, sondern auch für das Publikum eine Art ‚Zeitsprung‘. Zugleich soll durch die Kleidung und Ausrüstung Authentizität hergestellt werden, denn sie ist ein entscheidendes Kriterium, wenn es um die Glaubwürdigkeit der Akteure und ihrer Darstellung vor einem Publikum geht. Neben dieser objektbehafteten Authentizität spielt auch die im Rahmen des emotionalen Nachempfindens von Vergangenheit subjektzentrierte Authentizität bzw. authentische Selbstdarstellung eine bedeutende Rolle.
Im Zentrum des Beitrags steht also das Authentizitätsverständnis der Akteure im Kontext der Living History. Als Grundlage für die Diskussion dienen neben bereits publizierten Analysen auch aktuelle Interviews mit Darstellern von Reenactment-/Living History-Gruppen.

The experience-oriented communication of historical topics has increased steadily since the last thirty years. Among them are popular representations of history such as ‘living history’, in Germany usually translated as lebendige/wiederbelebte/erlebte Geschichte or Zeitreise. While taking of workaday clothes and putting on costumes the time travellers try not only to change their role but also want to experience past times in an affective way. Therefore, clothing and equipment – in short the material culture – mark the time leap not only for the reenactors themselves but also for the public. Besides, clothing and equipment have also the job to create authenticity which is a crucial criterion for the reeanctors’ credibility and their presentation in front of an audience. In addition to this object authenticity the so-called ‘subject authenticity’ plays also an important role in the context of an emotive understanding of the past. This article is devoted to the so-called ‘time travelers’ and their understanding of authenticity. As basis of the discussion serve already published studies as well as current interviews with reenactors which were conducted in 2012.